Vom Kuhstall zur Weltspitze Fujigengakki - Seite 2
Die geruhsame Studienzeit in Hiroshima hatte somit ihr Ende gefunden, denn ich musste doch jetzt etwas finden, um die Burschen in Köln zu beeindrucken. Ich beschloss deshalb, hinter die Kulissen der Musikindustrie vorzudringen und etwas über die eigentlichen Hersteller zu schreiben.
Wer und wo sie sind war für mich längst kein Geheimnis mehr. Das Problem bestand aber darin, mit ihnen in Kontakt zu treten. Man klopft in Japan nämlich nicht ans Werkstor und fragt: „TAG, DARF ICH MICH MAL EIN BISSCHEN BEI IHNEN UMSCHAUEN?“.
In Japan wird man vorgestellt und weitergereicht, bis man an der richtigen Stelle angelang ist. Ohne Beziehungen sind die Erfolgsaussichten minimal.
Ein Händler in Hiroshima schickt seine Mitarbeiter gelegentlich zu Schulungen der Firma Matsumoku, dem Hersteller von Aria, Westone und einem Teil des Fernandesprogramms. Auf meine Frage hin, ob sich ein Firmenbesuch über seine dortigen Verbindungen arrangieren lasse, meinte er, dass dies äusserst schwer zu realisieren sei: und überhaupt, ob ich schon den Prospekt von den beiden neuen Sampling-Keyboards von Roland habe. Ich wurde irgendwie das Gefühl nicht los, dass er das Thema wechseln wollte.
Bei einem anderen Händler wurde ich dann letztendlich fündig. Er setzte sich umgehend mit einem Bekannten bei der Vertriebsfirma des grössten Herstellers, Kanda Shokai, in Verbindung. Dort war man über dieses Anliegen zuerst völlig verunsichert. Die Tatsache aber, dass sie mit mir in Japanisch verkehren konnten, erleichterte vieles. Eine Zusage kam aber nicht direkt. Ich sandte deshalb einen brief mit Fotokopien aus der Maiausgabe des Fachblattes mit den Testberichten von zwei Fujigen – Produkten, Ibanez RG 450 SL und Roland GR77B/G77, ein. Ab dann lief alles Weitere reibungslos. Zwei kurze Anrufe genügten, und die Vertriebsfirma arrangierte zum gewünschten Tag einen Besuchstermin beim Werk. Damit stand mir erst einmal eine lange Reise zu der in den Bergen gelegenen Stadt Matsumoto bevor, die abseits der Shinkansen – Linie, dem japanischen Hochgeschwindigkeitszug, liegt. Die meisten in Japan gefertigten Gitarren kommen aus dieser Stadt. Sechs von elf noch existierenden Herstellern sind dort ansässig. Fuji – Elektrik und Epson haben sich ebenso in Matsumoto niedergelassen.
Bei der Einfahrt abends mit dem Zug leuchtete mir als Vorbote eine grosse Reklametafel entgegen: „Westone Guitars““. Eigentlich Verschwendung, denn in Japan werden sie überhaupt nicht angeboten. Ich begab mich auf die Suche eines Gasthauses, dessen Adresse ich vom Fremdenverkehrsverein in Nagoya bekommen hatte. Als ich es nicht fand, wandte ich mich an den Omawarisan, den „ehrenwerten Herrn Rundendreher“, wie der japanische Polizist heisst, der mit dem Fahrrad seine Runden um den ihm zugeteilten Aufsichtsbezirk dreht. Im Gasthaus war ich dann wohl auch der erste westliche Besucher.
Am nächsten Tag hatte ich am Morgen einen Termin bei Fujigen. Die Dame an der Rezeption war angenehm überrascht darüber, dass ich aus Deutschland bin, sie hat einen Brieffreund in Bremen, mit dem sie ihr englisch verbessert. Eine Kostprobe davon wollte sie mir aber nicht geben. Sie führt mich erstmal in ein karg ausgestattetes Zimmer. Aber schon bald tauchte ein Herr im Firmen – T–Shirt auf, der mich dann in das Zimmer des leider gerade abwesenden Firmendirektors führte.
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- Geschrieben von Rainer Daeschler
- Kategorie: Fujigen
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